Heu und Husten

Die wenigsten chronischen Atemwegserkrankungen bei Pferden sind auf akute Infektionen wie z. B. Pferdeinfluenza zurückzuführen. Tatsächlich haben Haltung und Fütterung einen viel stärkeren Einfluss.

Dass man Pferde heute nicht in Boxen ohne Frischluftzufuhr hält, hat sich leider noch nicht überall herumgesprochen. Noch immer gibt es Boxen ohne Außenfenster, aus dem das Pferd seinen Kopf herausstecken kann, und noch immer gibt es Stallbetreiber, die nachts alle Fenster und Türen im Stall schließen aus Angst vor „Zugluft“. Dass gerade dieses Vorgehen „Zug“ erst entstehen lässt, ist vielen gar nicht klar. Luftbewegungen, die von größeren Öffnungen (weit geöffnete Fenster und/oder Türen) herrühren sind keine Zugluft. Zugluft entsteht erst dann, wenn sich die Umgebungstemperatur deutlich von der des Luftzuges unterscheidet und wenn der Luftzug nur einzelne Körperpartien betrifft. In diesem Fall bleibt nämlich die automatische Thermoregulierung des Körpers aus und die betreffenden Stellen können empfindlich auskühlen. Das ist bei massiven, größere Teile des Körpers betreffenden Luftströmen nicht der Fall. Zumal diese fast immer auch annähernd die gleiche Temperatur haben wie die Umgebungsluft. Zugluft, durch falsche Fürsorge entstanden, sorgt also für eine schlechtere Abwehrlage des Organismus. Hinzu kommt erschwerend, dass nun auch der Luftaustausch im Stall durch das Schließen von Fenstern und Türen extrem stark eingeschränkt wird. Die Luft im Stall wird aber durch die Tierbewegungen immer stärker mit Partikelstäuben wie auch mit Amoniakgasen durch Wasserlassen angereichert.

Die Pferdelunge ist ein äußerst großes Organ und wälzt pro Stunde viele hundert Liter Luft um. So kann bei fehlender Stallbelüftung die Pferdelunge schon nach kurzer Zeit Schaden nehmen, da der Selbstreinigungsmechanismus der Lunge nicht mehr gegen die „Lungenverschmutzung“ durch die Umgebungsluft ankommt. Es werden mehr Partikel aufgenommen, als die Lunge durch Abhusten und Schleimtransport über das Flimmerepithel abgeben kann. Die verbleibenden Partikel bilden so nach und nach einen festen Belag. Im ungünstigsten Fall (bzw. im fortgeschrittenen) sind davon auch die Lungenbläschen betroffen und der Gasaustausch wird beeinträchtigt. Eine COPB, eine chronisch obstruktive Bronchitis, entsteht, später auch ein Lungenemphysem. Durch die schleichende Allergisierung gesellt sich alsbald eine Heuallergie dazu oder eine Allergie auf andere Schwebstoffe.

Doch nicht nur die Haltung ist entscheidend bei der Entstehung von Lungenkrankheiten – viel stärker noch ist die Fütterung beteiligt. Die Futterhygiene lässt stärker zu wünschen übrig, als man vermuten würde: In einer zufällig ausgewählten Pferdepopulation in der Schweiz litten 54 % aller Pferde an chronisch obstruktiver Bronchitis (COPD). Ursache der COPD war eine Hypersensitivität der Atemwege der betroffenen Tiere gegenüber im Heu enthaltenen Pilzsporen. In Deutschland dürfte sich dieses Bild ähnlich dramatisch darstellen. Der Grund dafür ist einfach: kaum ein Bauer weiß noch, wie gutes Heu zu machen ist. Heu wird heutzutage von viel zu blattreichen Kuhgräsern (Weidelgras) gewonnen, oft zu früh (Mai), weil man einen zweiten und dritten Schnitt für die Rinder haben will und es wird oft viel zu schnell hergestellt. Die Wetterlage in den typischen Heumonaten Mai und Juni ist leider dergestalt, dass es den Bauern kaum möglich ist, das Heu 5 – 7 Tage trocknen zu lassen. Außerdem bedeuten 7 Tage trocknen auch einen erheblichen Kostenmehraufwand, da das Heu mindestens zweimal am Tag gewendet und am Abend zusammengeschwadert werden muss, damit es korrekt trocknen kann. Eine spätere Mahd im Juli oder gar August würde die Trocknungszeit (zumal aufgrund günstigerer klimatischer Bedingungen) auf 4 – 5 Tage verkürzen, aber dann hat der Landwirt höchstens noch einen zweiten Schnitt vom selben Grünland. Das meiste Heu am Markt in Norddeutschland stammt übrigens aus Produktionen, bei denen das Gras nicht länger als drei Tage trocknet, oft sogar nur zwei.

Aber wer Heu jetzt als Schuldigen ausmachen will, liegt falsch. Die Bildung von Schimmelpilzen ist in Heulage sogar noch viel wahrscheinlicher. Mangelnder Andruck beim Wickeln, zu langes Anwelken und zu später Schnitt (weil der Pferdehalter möglichst „trockene“ und leicht vom Ballen zu lösende Heulage bevorzugt) schaffen optimale Bedingungen für Schimmelpilzbefall. Das Fatale: die Pilzverseuchung bleibt fast immer unbemerkt, da unsichtbar und nicht zu riechen. Anders als im Heu, das sofort anfängt, muffig zu riechen, kann bei Heulage der Verderb nicht olfaktorisch über die Nase erfasst werden. Die unvollständigen Silierungsprozesse, welche die Entstehung der Durchseuchung begünstigt haben, sorgen dafür, dass der Schimmelgeruch durch den Siliergeruch überdeckt wird. Das Auge kann den Befall allenfalls nur dann erkennen, wenn bereits massive Fäulnisprozesse in Gang gesetzt wurden und sich schwarze oder weiße Nester mit den typischen „Pilzfusseln“ oder gar schon schmierige Stellen gebildet haben. Die Sporen selbst bleiben unsichtbar. Ein Heulageballen, der optisch und olfaktorisch einwandfrei scheint, kann also hochgradig mit Schimmelsporen durchseucht sein.

Ob Heu oder Heulage – nicht nur bei der Herstellung können Fehler gemacht werden, die zu einer Belastung der Atemwege der Pferde führen. Auch die Lagerung will gekonnt sein. Wer Heuballen unter Planen im freien lagert, darf sich nicht über einen unbotmäßigen Schimmelpilzbefall beklagen. Heu muss trocken, sauber und luftig (wie z. B. auf einem Heuboden) gelagert werden und braucht unbedingt ein festes Dach über dem Kopf. Da hat man es mit der Lagerung von Heulageballen einfacher: die können auf dem Feld gelagert werden, dürfen sich aber gegenseitig nicht an den Seiten berühren (weil sich dort die Temperatur erhöht und somit der Silierprozess der Milchsäurebakterien zugunsten der Schimmel- und Lagerpilze beeinträchtigt wird) und müssen täglich auf mögliche Beschädigungen (z. B. durch Vögel, Ratten oder Katzen) der Folie kontrolliert werden. Jede noch so kleine Beschädigung der Folie bedeutet Luftzufuhr in den Ballen und damit optimale Bedingungen für die Vermehrung von Schimmelpilzen.

Warum sind Schimmelpilze so gefährlich?

Das toxische Prinzip des Schimmelpilzgiftes ist vielfältig. Im Zentrum steht die DNS-Schädigung, die im Extremfall zu Leberdegeneration, Ikterus, Leberzirrhose und Lebertumoren führt. Außerdem entfalten Pilztoxine teratogene (Missbildungen bei Embryonen hervorrufend) und immunsuppressive (Herabsetzung der Abwehrlage) Effekte.

Weitere Veränderungen wie hämorrhagische Enteritis (blutige Darmentzündungen), petechiale Blutungen, focale Myokardnekrosen (Herzmuskelzerstörung) oder Hirnödem können ebenfalls auftreten.  Werden extrem große Mengen an Pilztoxinen frei (z. B. weil Pferde aus Hunger an vergammelte, eigentlich beiseite geschaffte Heulage gehen) ist die Therapie einer folgenden akuten Aflatoxinvergiftung aussichtslos.

Die Folgen bei Aufnahme über die Atemwege sind ebenfalls vielfältig. Sie reichen über eine leichte Nasenschleimhautentzündung (Rhinitis) über  Tumorenbildung in den Nebenhöhlen, akuter Bronchitis bis hin zu chronischen Entzündungen der Lungenbläschen mit allergischen Reaktionen. Auch die Schleimhäute der Augen können betroffen sein.

Erkrankungen des Bronchialtraktes können daher niemals allein mit Medikamenten behandelt werden sondern bedürfen einer intensiven Korrektur der Haltung und der Fütterung. Dazu gehört in erster Linie die Staubvermeidung (keine Stroheinstreu – auch nicht in der Nachbarbox), bessere Belüftung und die Vermeidung von Matrazeneinstreu (Ammonikgase schädigen die Lunge zusätzlich!). Bei der Fütterung muss sofort mykotoxinfreies Futter bereitgestellt werden.  Das Wässern von Heu kann die Inhalation von Staubpartikeln ca.

um den Faktor 30 reduzieren. Dabei ist es besonders wichtig, das Heu in reichlich Wasser gut durchzuspülen. Der Grad der Durchnässung des Futters ist dabei wichtiger als die Dauer des Wässerns. Die gängige Praxis hingegen, das Heu mit einem Schlauch abzuduschen ist absolut unzureichend! Das Heu muss komplett und gründlich getaucht werden! Benötigt das Pferd Kraftfutter, dann sollte auf geschrotetes oder gequetschtes Getreide wie auch auf Müsli unbedingt verzichtet werden. Derartige Futtermittel stauben stärker als ganze Körner und sind eher mit Pilzsporen besiedelt. Ganzer Hafer lässt sich auch gut anfeuchten, ggfls. mit einem Schuss Öl. Ansonsten kann auch auf pelletiertes Kraftfutter ausgewichen werden.

Der Tierarzt oder Tierheilpraktiker verordnet in der Regel schleimlösende und auswurffördernde Arzneien. Bei unproduktivem, allergischem Husten ist bis zur Beruhigung des Allergiereizes vorher kurzfristig ein Spasmolytikum, ein Hustendämpfer sinnvoll. Die gleichzeitige Gabe von Schleimlösern und Hustenreizstillern ist kritisch zu sehen, da der Schleim bei dieser Art der Medikation Gefahr läuft, in der Lunge zu verbleiben und sich dort wieder zu verfestigen. Um die Selbstreinigungskräfte der Lunge zu unterstützen sind Inhalationen mit mikrozerstäubenden Geräten (wie z. B. von Hippomed oder Kegel) eine unschätzbare Hilfe, adäquate Bewegung des Tieres ist obligat. Ohne Bewegung keine Lungentherapie! Und zu guter Letzt muss man sich vor Augen führen, dass die Änderung in Haltung und Fütterung von Dauer sein muss. Stellt man ein Pferd – auch nach Genesung – wieder in einen staubigen Stall oder füttert man wieder kontaminiertes Heu oder Heulage, dann wird das Pferd je nach Konstitution mehr oder weniger schnell die gleichen Symptome erneut ausprägen. Ein einmal an einer Atemwegserkrankung leidendes Pferd gehört in eine saubere Offenstallhaltung, mindestens aber in eine Box mit großem Auslauf. Es muss regelmäßig ausgiebig bewegt werden. Jede Art von Staubbelastung muss unbedingt vermieden werden. Und: Die Impfung von Pferden, die unter chronischen, allergischen Atemwegserkrankungen leiden sollte äußerst kritisch gesehen werden und ist auf ein absolutes Minimum zu beschränken.

Ergänzend dazu:

 

Schimmelpilze – Arten und Gefahren.

Es gibt verschiedene Lager- und Verderbnispilze. Aspergillus, Fusarium, Penicillium und Stachybotrys kontaminieren das Futter nach der Ernte und wachsen während des Transports oder der Lagerung (Lagerungspilze). Verregnetes Heu oder verregnete Heulage entwickelt zuverlässig eine Schimmelpilzbesiedlung. Ist Heu zu fest gewickelt (im Gegensatz zu Heulage, die in solchen Fällen fast immer zu locker gewickelt ist) entsteht vermehrt eine Wärmeentwicklung, die eine Kontamination ebenfalls begünstigt. Auch bei zu hoher Restfeuchte in der Pflanze zum Erntezeitpunkt (unzureichende Trocknung auf dem Feld) entwickeln sich Pilzkulturen. Das ist ebenfalss bei falscher Lagerung der Fall. (Lagerung unter Plane, teilweise auf nackter Erde, in unmittelbarer Nähe von bereits hochgradig von Schimmelpilzen befallenen Ballen)

 

Die Folgen:

Akute Vergiftungen sind eher selten, können sich aber äußern durch:

Kolik, Tympanie, Durchfall, Ikterus

Chronische Vergiftungen sind häufig und leider diffus in ihren Symptomen:

Anorexie, Leistungsabfall, Verdauungsstörungen, Fruchtbarkeitsstörungen, Aborte, Immunsuppression, Blutungsstörungen, Lähmungen – besonders bei diffusen Hinterhandschwächen ist Aspergillus vermehrt in den Focus der Tiermediziner und Pathologen geraten.

Manche Aspergillus-Arten bilden Stoffwechselprodukte, die für den Menschen und auch für Nutztiere (Säugetiere, wie auch Vögel) sehr giftig sind (Mykotoxine, z. B. Aflatoxin, Fumagillin, Gliotoxin (Das Toxin beschleunigt den natürlichen Zelltod (Apoptose) bei tierischen und menschlichen Körperzellen)).

Bei abwehrgeschwächten Organismen kann Aspergillus auch allergische Reaktionen auslösen oder sogar Organe wie Lunge, Magen, Darm und das Nervensystem befallen.

Cladosporium-Arten sind sehr häufig und kommen bevorzugt in Sumpfgebieten, im Wald und in Gärten vor, da sie gerne auf verfaulten Pflanzen bzw. auf Laub wachsen. Cladosporium-Arten können im Sommer bis zu 90 % aller luftgetragenen Schimmelpilze der Außenluft ausmachen. Cladosporium zählt zu den sog. Schwärzepilzen (Dematiaceae), da sich die Sporen und Teile der Hyphen durch Melanin-Einlagerungen braun bis schwarzbraun anfärben. Als Krankheitserreger kann Cladosporium zu Atemwegsinfektionen (z. B. Sinusitis) führen. Auch kann Cladosporium allergische Reaktionen wie z. B. Fließschnupfen, Husten, Niesanfälle, Nesselfieber oder Asthma auslösen (Schimmelpilzallergie).

Penicillium-Arten lieben Wärme und Feuchtigkeit. Penicillium kann ähnliche allergische Reaktionen wie Cladosporium hervorrufen. Der Erreger hat aber eine besonders starke Affinität zu den Atemwegen und ruft bei dauerhafter Invasion zuverlässig allergische Atemwegserkrankungen beim Pferd hervor. Dazu bedarf es nicht einmal besonders hoher Konzentrationen.

Der Köpfchenschimmel Mucor ist zusammen mit Vertretern der Gattungen Absidia, Rhizomucor und Rhizopus Verursacher akuter Pilzinfektionen, den sogenannten Mucor-Mykosen. Durch den Atmungs- oder Speisetrakt dringen die Pilzsporen in den Körper ein. Bislang sind durch Mucor keine Mykotoxine nachweisbar. Nichtsdestotrotz können Mucor-Pilzarten bei sensibilisierten Pferden schwere Allergien auslösen. Die Gattung Mucor umfasst wichtige Lebensmittelverderber, die häufig auf faulenden Früchten, in Gemüse, auf Getreide, aber auch auf Mist und Kot zu finden sind. Mucor wächst bei Temperaturen von 1 - 30°C mit einem Optimum bei 22°C und benötigen eine relativ hohe Feuchte. Damit ist ihre Vermehrung bei der Gewinnung von Heulage oder verregnetem Heu besonders wahrscheinlich. Der Nachweis von Mucor in einem Futtermittel weist also eindeutig auf Verderbnisprozesse hin.