Die Schilddrüse Teil 2

17. 05. 01
posted by: Thomas Freund

Im Teil 1 wurde auf die lebensnotwendigen Funktionen der Schilddrüse eingegangen. Erkrankungen führen oftmals zu deutlichen Beeinträchtigungen, Verminderung der Lebensqualität und ergeben unbehandelt eine hohe Mortalität.

In diesem Teil der insgesamt dreiteiligen Dokumentation wird auf die Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) eingegangen, eine häufig zu beobachtende Erkrankung bei Hunden (selten bei Katzen). Neben den Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Hyperadrenokortizismus (Morbus Cushing/Überfunktion der Nebennierenrinde) stellt die Hypothyreose die dritthäufigste Erkrankung der Drüsen dar.

Anatomie

Die Schilddrüse bei Hunden besteht aus zwei Lappen (Lobus dexter und Lobus sinister). Das rotbraune Organ liegt rechts und links der Luftröhre, dicht am Kehlkopf des Hundes. Anders als z. B. bei Pferden lässt sich die Schilddrüse selbst bei größeren Hunden nicht erfühlen, da sie zum einen sehr tief liegt und zum anderen selbst bei einem Hund mit 15 kg Körpergewicht nur lediglich  2,5 x 1 cm groß ist.

Das Gewebe der Schilddrüse besteht aus mikroskopisch kleinen Follikeln (Bläschen).

Die spezifische Funktionsweise der Schilddrüse soll hier nicht weiter eingegangen werden da dieses bereits im Teil 1 abgehandelt wurde.

Ursachen der Erkrankung

Neben einer angeborenen Defekten, Tumore oder Fehlfunktion der Hypophyse (Hirnanhangdrüse)  (alle nur als Einzelfälle bekannt), kommen für diese Erkrankung zwei Hauptursachen in Betracht.

Eine der Hauptursachen welche zur Schädigung (Zerstörung) des funktionellen Schilddrüsengewebes führt, ist auf Entzündungsreaktionen zurück zuführen.

Durch chronisch-entzündliche Vorgänge wird gesundes Schilddrüsengewebe zerstört, es bildet sich  ersatzweise funktionsloses Bindegewebe. Oftmals zeigen sich im Fortgang dieses schleichenden Prozesses erst bei massiver Schädigung (70% Ausfall der Schilddrüse) deutlich sichtbare Symptome.

Eine andere, wenn auch seltenere, Ursache ist die autoimmune Thyreoiditis (Autoimmunerkrankung). Bei dieser Form bildet der Körper Antikörper gegen eigenes Schilddrüsengewebe und zerstört dieses somit.

Zu erwähnen bleibt, dass eine Unterfunktion auch temporär bzw. sekundär durch andere Erkrankungen bestehen kann. Dieses kann bei ausgeprägten bakteriellen Entzündungsprozessen, bei Leber- und Nierenerkrankungen, nach Unfällen, bei Verabreichung von Antibiotika, Phenobarbital (Betäubungsmittel), Cortison, Schmerzmittel etc. vorliegen.

Selbst allergische Reaktionen oder Stress können zu verminderten Schilddrüsenleistungen  führen. Diese Funktionsstörungen werden von den o. a. „echten Schilddrüsenunterfunktion“ unterschieden, man bezeichnet diese Beeinträchtigungen als „Euthyroid sick syndrome“.

 Auch Medikamente können temporär zu einer reduzierten Schilddrüsenleistung führen

Gefährdete Hunderassen

Grundsätzlich können alle Hunde eine Schilddrüsenunterfunktion entwickeln.

Weniger betroffen (relativ) sind dabei weibliche Tiere, während männliche, kastrierte Hunde ein scheinbar höheres Erkrankungsrisiko aufweisen. Auch tritt diese Erkrankung häufiger bei reinrassigen Tieren als bei Mischlingen auf.

Die meisten betroffenen Hunde sind in einem Alter von den 4-8 Jahren wo diese Krankheit (aufgrund beobachtbarer Symptomatik) diagnostiziert wird. Allerdings wird vermutet, dass der Beginn dieser schleichenden Erkrankung bereits im 2. Lebensjahr liegt. 

In der Literatur werden insbesondere größere Hunderassen als prädisponiert genannt. Allerdings trat auch bei kleineren Rassen diese Erkrankung bereits mehrfach auf.

Die nachfolgende Übersicht zeigt besonders gefährdete Hunderassen (Alphabetisch, ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Afghane, Akita Inu, Aridale-Terrier, Australian Shepard,

Bobtail, Boxer, Chow Chow, Cocker Spaniel,

Dachshund, Dackel, Deutsch Drahthaar, , Deutscher Schäferhund,

Dobermann, Dogge,  Englische Bulldogge, English Setter,

Golden Retriever, Irish Setter, Kuvasz, Labrador Retriever,

Malteser, Pointer, Pudel, Rhodesian Rigdback, Riesenschnauzer,

Sheltie, Sky Terrier,

Zwergpinscher, Zwergschnauzer

   

Viele Hunderassen können an einer Hypothyreose erkranken

Symptome

Anfänglich treten bei Erkrankung lediglich unspezifische Symptome auf, die oftmals nicht wahrgenommen werden. Erst wenn größere Bereiche der Schilddrüse zerstört sind und die Unterfunktion zu offensichtlichen körperlichen Beschwerden oder Verhaltens- bzw. Wesensveränderungen geführt hat, werden die betroffenen Tiere einem Tiermediziner vorgestellt.

Wesentlich besser wäre hier eine deutlich frühere Vorstellung und Einleitung einer entsprechenden Behandlung. Dieses sollte bereits bei einem anfänglichen Verdacht und bei Beobachtung der u. a. Symptome geschehen.

Da mögliche Symptome nicht ausschließlich organisch sondern auch psychisch, in Form von Verhaltensauffälligkeiten und –veränderungen  auftreten können, wurde die  nachfolgende Übersicht in diese beiden Symptom-Komplexe unterteilt und ergeben die zu berücksichtigende klinische Symptomatik. Zu erwarten sind unterschiedliche Kombinationen, die von Tier zu Tier, vom Grad der Erkrankung usw. abhängig sein können. Die Aufstellung soll und darf jedoch keinesfalls eine seriöse Diagnose bei einem Tiermediziner ersetzen und dient lediglich der Unterstützung einer Verdachtsfeststellung des Tierhalters.

Organische Symptome

  • Gewichtszunahme, Verfressenheit
  • Verdauungsprobleme (Verstopfung)
  • Hautveränderungen (Schuppenbildung, Keratose/Verhornung, fettige Seborrhö, Hyperpigmentierung bakterielle Hautinfektionen, Juckreiz, etc.)
  • Fellveränderungen (schlechtes oder verzögertes Fellwachstum, Haarausfall, trockenes-brüchiges Fell, schütteres Haarkleid, Rattenschwanz, Veränderung der Fellfarbe etc.)
  • Gestörte Wundheilung
  • Häufige Entzündungen, insbesondere Ohren und Gehörgang sowie Augen/Hornhautablagerungen(Hyperlipidämie)
  • Herzstörungen (Herzrhythmusstörungen, verlangsamter Herzschlag/Bradykardie, schwacher Puls)
  • Bewegungsapparat (Schmerzen in den Extremitäten, Gleichgewichtsstörungen, steifer Gang)
  • Muskelschwäche und neurologische Erkrankungen (eingeschränkte, fehlende Belastbarkeit, frühe Ermüdung, nachlassendes Hörvermögen )
  • Störung des Sexualverhalten (ausbleibende Läufigkeit, mangelnde Libido, Unfruchtbarkeit, Hodenathrophie/Schrumpfung)
  • Störungen des Wärmehaushalts (vermehrtes Aufsuchen warmer Plätze, im Sommer oft Wärmeintoleranz)

Psychische Symptome

  • Geringe Stresstoleranz, erhöhte Stressanfälligkeit
  • Wesensänderung
  • Müdigkeit, Antriebsschwäche, vermehrtes Schlafbedürfnis/Lethargie
  • Interessenlosigkeit, Trägheit, Emotionslosigkeit bis hin zur Apathie
  • Unberechenbarkeit, Ungehorsam, Launenhaftigkeit
  • Ängstliches Verhalten, Schreckhaftigkeit, Panik, Entwicklung von Phobien
  • Aggressionen, erhöhte Reizbarkeit, temporäre, unangemessene Hyperaktivitäten bis hin zu epileptischen Anfällen)
  • Bei jungen Hunden Störung/Verzögerungen der geistigen Entwicklung

Schütteres, trocken-brüchiges Fell, ständige Müdigkeit können Anzeichen für eine Hypothyreose sein

Diagnoseerstellung

Neben der klinischen Symptomatik ist der Nachweis durch labordiagnostische Untersuchungen

zu führen. Durch die Bestimmung der Schilddrüsenwerte T3 und T4 sowie des Hypophysenhormons TSH  kann zuverlässig eine Hypothyreose bestimmt bzw. bewertet werden.

Bei einem erniedrigten T4-Wert gilt eine primäre Hypothyreose als bewiesen. Erniedrigte T3-Werte zeigen eine bereits fortgeschrittene Erkrankung an. Normale TSH-Werte schließen eine Unterfunktion aus, wobei erhöhte Werte Indiz für eine Hypothyreose sind.

Ferner sollte auch der TRH-Wert bestimmt werden um heraus zu finden wie der Staus der Fähigkeit der Hormonproduktivität bzw. –sekretion der betreffenden endokrinen Organe (also Hypothalamus, Hypophyse und Schilddrüse) ist. Hierfür wird ein TRH-Stimulationstest durchgeführt der testet wir die Schilddrüse auf Gabe von TRH reagiert.

Mittels einer Sonographie (Ultraschalldiagnostik) kann das Volumen der Schilddrüse bestimmt werden. Dieses ist aber hinsichtlich der verschiedenen Rassen bzw. Größen der Hunde sehr unterschiedlich und variiert bei kleinen Rassen (unter 6 kg Körpergewicht) von unter 0,3 ml, bei großen Rassen (über 50 kg Körpergewicht) von ca. 1,0 ml Schilddrüsenvolumen.

Es lassen sich dabei ggf. Strukturveränderungen, nicht aber die Funktionsfähigkeit der Schilddrüse darstellen.      

Darüber hinaus gibt es noch andere Testverfahren (z.B. Ermittlung des TgAAK-Titers), die aber weniger sicherere Ergebnisse aufzeigen.

 Eine sichere Diagnoseerstellung ist durch eine Blutuntersuchung möglich

Beurteilung der Schilddrüsenwerte

Für die im Rahmen einer labordiagnostischen Untersuchung festgestellten Werte ergibt sich folgende Interpretation, wobei insbesondere die einzelnen Werte (T4 und TSH) im Verhältnis zueinander betrachtet werden müssen:

Normalwerte (keine Hypothyreose):

T3: 70 - 250 ng/dl bzw. 1,1 – 3,9 nmol/L

T4: 1,3 – 3,7 µ/dl bzw. 17 48 nmol/L

TSH: 0 – 0,32 ng/ml

 

Erhöhte bzw. unklare Werte:

TSH: 0,33 – 0,45 ng/ml (unspezifisch, Erkrankung wäre möglich)

TSH: > 0,32  ng/ml (Hypothyreose wahrscheinlich, Abklärung durch TRH-Stimulationstest erforderlich)

TSH: > 0,45 ng/ml (Hypothyreose)

TSH normal aber T4 > 0,7 µ/dl (Hypothyreose möglich Abklärung durch TRH-Stimulationstest

Bei der Beurteilung der Laborwerte sind immer auch andere Ursachen (z. B. andere Erkrankungen wie Lebererkrankungen, Morbus Cushing oder Niereninsuffizienz) zu prüfen.

Es sind auch ggf. Medikamentengaben, wie z. B. Glucocrticoide (Entzündungshemmer), Phenobarbital (Epilepsie(Narkosemittel) oder Phenylbutazon (Rheumamittel) u. a. zu berücksichtigen, da veränderte Werte auch hierdurch  verursacht sein können.

Selbst das Alter oder die Größe eines Hundes führt zu unterschiedlichen Werten und ist daher ebenfalls berücksichtigen.

Neben der labordiagnostischen Untersuchrung ist auch immer die klinische Symptomatik heran zuziehen (s. o.), nur zusammen lässt sich die Diagnose und ein geeigneter Therapieansatz finden.

Therapieansätze

Bei einer nachgewiesenen Hypothyreose wird seitens der Schulmedizin die sog. Substitutions-Therapie angewendet. Dabei werden dem Hund die fehlenden Hormone (Thyroxin) lebenslang  in Form von Tabletten zugefügt um somit Defizite ausgeglichen. Die Problematik dieser klassischen Behandlungsform stellt sich dabei wie folgt dar:

  • Einstellung der erforderlichen Dosierung ist bei Hunden nicht einfach, zumal schwankende Laborergebnisse dieses erschweren.
  • Notwenigkeit einer zeitlich regelmäßigen Medikamenteneinnahme (damit eine annähernd gleichbleibende Konzentration sicher gestellt werden kann)
  • Gefahr der Überdosierung welche massive, negative Auswirkung (Ähnlich der Symptomatik einer Hyperthyreose/Überfunktion) mit sich zieht (erhöhte Herzfrequenz, Ängstlichkeit, Durchfälle, erhöhter Urinabsatz, Unruhe, Hecheln, deutlich vermehrte Aktivität).
  • Risiko einer Fehldosierung bei Gewichtsveränderungen.
  • Verhaltensänderungen mit unterschiedlichen Ausprägungen.

Meist wird bei Hündinnen eine Kastration empfohlen, um dadurch beeinflussende Hormonschwankungen zu verringern – was natürlich immer Fallbezogen entschieden werden muss und niemals eine Standardvorgehensweise sein kann.

Die Anwendung einer ganzheitlichen Therapie (Ansatz aus der Naturheilkunde) basiert auf einer Regulation der köpereignen Funktionsfähigkeit.

So ist der Einsatz homöopathischer Medikamente, bei anfänglicher oder leichterer Erkrankung allein, oder begleitend zur schulmedizinischen Therapie oftmals sehr erfolgreich.

Deutliche Verbesserungen wurden auch durch Ansätze aus der TCM (z. B. Mykotherapie oder Heilkräuter) erzielt.

Ebenso konnte durch eine biochemische Therapie sehr gute Behandlungsergebnisse erzielt werden. Auch wenn die Möglichkeit des Verzichtes von Hormongaben nicht besteht (z.B. bei fortgeschrittener Hypothyreose) so wäre die Kombination mit den o. a. Therapien aus der Naturmedizin empfehlenswert, da durch die Regulationseigenschaft die Risiken der schulmedizinischen Behandlung deutlich vermindert werden können.

 Mit einer Behandlung mit Heilpilzen (aus der TCM) konnten bereits erstaunliche Heilungserfolge erzielt werden

Abschließend ist festzustellen, dass eine Hypothyreose eine ernstzunehmende Erkrankung ist, die jedoch heute durch modere Diagnostik und unterschiedlicher Therapieansätze recht gut behandelt werden kann.

Je früher diese Erkrankung dabei behandelt werden kann umso eher ist ein „normales

Leben“ Ihres Hundes wieder möglich. Eine optimale Therapie stellt dabei eine hohe Lebensqualität sowie unverminderte Lebenserwartung sicher.

Eine Behandlung muss i. d. R. lebenslang erfolgen und beinhaltet auch die Notwendigkeit von regelmäßigen Kontrolluntersuchungen bei einem Tiermediziner, dieses wird Ihnen aber Ihr Vierbeiner

durch wiedergewonnene Vitalität, Lebensfreude und aktiver Präsenz danken.

 Erhaltende Lebensfreude - Ziel einer erfolgreichen Behandlung